Gibt es einen Zusammenhang zwischen Skoliose, Ballett und Zahnspangen?
Ballett, Zahnspangen und Skoliose
Studien in Australien und Japan behaupten, dass das Skolioserisiko bei Ballett 12,4mal höher sei als bei Nichttänzern. Es soll eine Dosis-Wirkungsbeziehung bestehen zwischen Ballettdauer und Skolioseausprägung. Auffallend dabei sei ein geringerer BMI.
Andere Studien decken sogar einen Zusammenhang von Skoliose und dem Tragen von Zahnspangen auf.
Gibt es diese Zusammenhänge wirklich?
Ballett
Warum sollte gerade Ballett schaden?
Tatsächlich werden Skoliosen, die in dieser Zeit entstehen, erst später entdeckt. Diese Betroffenen gehörten keiner Gruppe an, die wie Ballerinas im Fokus standen oder deren Eltern ein besonderes Augenmerk darauf hatten.
Studien, die Zusammenhänge zwischen Ballett und Skoliose beschreiben, sind in der Regel nicht randomisiert, das heißt die Fälle und die Kontrollpersonen sind nicht zufällig zugeordnet. Schon durch die "Teilnahme der besonders Interessierten" schleichen sich "Selektionsfehler" ein, die das spätere Ergebnis entscheidend beeinflussen, da man davon ausgehen muss, dass bevorzugt Betroffene an solchen Studien teilnehmen.
Studien die keinen Zusammenhang finden werden seltener zitiert oder gar nicht erst veröffentlicht (Publikationsfehler). Solche Einflüsse sollte man stets im Auge haben, wenn ungewöhnliche Studienergebnisse veröffentlicht werden.
Body Mass Index
Der Body Mass Index (BMI) stellt eine Beziehung von Körpermasse (Gewicht in KG) und Körperlänge (KL in Meter) her.
Wenn Kinder, ab dem 7. oder 8. Lebensjahr einen Flachrücken entwickeln, gewinnen sie durch die Streckung 5 cm oder sogar mehr. Dies macht sich unmittelbar bei dem BMIQuotienten bemerkbar, der um einen oder mehr Punkte sinkt, die Kinder erscheinen schlanker.
Die Veränderung des BMI ist also Ausdruck der Wirbelsäulenstreckung und hat mit Ballettübungen nichts zu tun. Die Flachrückenbildung ist aber der erste Schritt zur Skolioseentstehung, egal ob die Kinder Ballett tanzen oder nicht. Erst im zweiten Schritt kommt es zur Seitverbiegung der Wirbelsäule etwa ab dem 10. oder 11. Lebensjahr. Dadurch stagniert die Körperlänge, obwohl die Wirbelsäule weiter wächst.
Der BMI vermittelt also in beiden Fällen den falschen Eindruck, dass sich die Körpermasse verändert. Daher ist der Quotient bei Skoliosen wenig geeignet, da er das Wachstum der Wirbelsäule nicht berücksichtigt.
Zahnspangen
Sind Zahnspangen an Skoliose schuld?
Kinder die Ballett tanzen haben häufiger auch Zahnspangen zur Begradigung der Zähne. Macht also die kieferorthopädische Versorgung die Skoliose? Nein.
Eltern, deren Kinder Ballett tanzen, achten verstärkt auf gerade Körperhaltung und gerade Zähne. Die gemeinsame Häufung ist allein diesem Bewusstsein geschuldet und hat mit der Skolioseentstehung nichts zu tun.
Zahnfehlstellungen sind auf der rechten Seite so häufig wie auf der linken, die Skoliose ist fast nur rechtskonvex. An der viel näher gelegenen Halswirbelsäule gibt es aber praktisch nie Skoliosen!
Korsetts mit Kieferstütz (z.B. Milwaukee-Korsett) erzeugen Fehlstellungen der Zähne, diese sind also Folge der Behandlung.
Zeitfenster
Zeitfenster von Kieferbehandlung und Skolioseentstehung
Die Kieferbehandlung beginnt sinnvollerweise wenn eine gewisse Reife erreicht ist und eine dauerhafte Behandlung ermöglicht. Die Skolioseentstehung beginnt bei der Flachrückenbildung um das 8. Lebensjahr, die Verbiegung zur Seite erfolgt erst zwei Jahre später.
Nur der Zeitpunkt der Zahnbehandlung und der Skolioseentstehung fallen zusammen, es besteht dadurch aber keine ursächliche Beziehung, d.h. das eine entsteht nicht aus dem anderen.
Skoliosefamilien
Hatte die Uroma auch eine Skoliose?
Auch Studien zu Skoliosefamilien sind mit ähnlichen Fehlerquellen behaftet, wenn ihre Grundlage Befragungen nach Familienchroniken und nicht tatsächliche medizinische Befunde sind. Dann wird schnell eine Skoliose aus einem unbestimmten Rückenleiden bei entfernten Verwandten.
Neuere Familienuntersuchungen haben eindeutig belegt, dass es keine familiären Beziehungen gibt. Skoliosen sind nicht erblich!
Betroffene
Paige Fraser - Ballerina trotz Skoliose erfolgreich
Als sie 13 Jahre alt war bekam sie die Diagnose Skoliose. Ihre Ärzte empfahlen ihr eine Operation, um die Verkrümmung zu korrigieren. Da Teile der Wirbelsäule mit Metallstäben versteift worden wären, hätte dies das Ende ihrer Tanzkarriere bedeutet. Sie ließ sich nicht operieren, trug ein Korsett und arbeitete hart an sich und ihrer Haltung auch mit Hilfe von Pilates. Heute ist sie eine erfolgreiche Tänzerin, lebt ihren Traum und sagt von sich selbst:
“Tanzen ist mein Heilmittel”
Fazit
Bei kritischer Betrachtung ist bei keiner der vorliegenden Studien ein Zusammenhang von Ballett, Kieferbehandlung oder BMI zur Skolioseentstehung haltbar. Die Mehrzahl der Autoren sind sich der methodischen Probleme nicht bewusst und diese finden daher auch keinerlei Bewertung.
Solche Studien führen aber zu erheblichen Verunsicherungen. Von den Kindern und Jugendlichen kann man eine fundierte Methodenkritik nicht erwarten, die Ergebnisse werden als wissenschaftlich akzeptiert, was sie aber nicht sind. Die Verantwortung liegt bei den Wissenschaftlern!
Mein Buch ist das Ergebnis jahrerlanger Skolioseforschung. Werde zum Experten für deine Wirbelsäule.
